Solidarität Gedichte

Gedichte für Menschen im Iran – Solidaritätsaktion

33 Jahre ist es her, dass die Hoffnungen vieler Iraner auf Freiheit enttäuscht wurden. Statt der ersehnten freiheitlichen Selbstbestimmung, entwickelte sich ein Menschen verachtendes System. Seit dem 9. März 2012 veröffentlichen wir 33 Wochen lang 33 Gedichte in Solidarität mit den Menschen im Iran, die von Amts wegen ausgegrenzt, verleumdet, stigmatisiert, inhaftiert, gefoltert oder ermordet werden. 33 Wochen Protest gegen die Zwangsherrschaft und zugleich Ermutigung für die Menschen im Iran den Weg der Selbstbestimmung, der gleichen Rechte für alle, der Freiheit und Verantwortung für das eigene Leben unbeirrt zu gehen. Wir veröffentlichen jede Woche jeweils ein Bild aus unterschiedlichen Gegenden Irans zu einem Gedicht und dem Bild eines von Verfolgung betroffenen Menschen oder einer betroffenen Gruppe:

Allen politischen Gefangenen Irans …

19. Oktober 2012
Schutzengel aus der Zoroastrischen Zeit
Schutzengel aus der Zoroastrischen Zeit
… die im Laufe der 33 Jahre des Regimes im Iran für Freiheit und Selbst­be­stimmung ihre Stimmen erhoben haben. „Die iranische Regierung rühmt sich, die Würde des Menschen hochzuhalten. Sie ist aufgefordert, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit endlich zu schließen. Das iranische Regime darf sich dem Ruf nach Freiheit für politische Gefangene und der Abschaffung der Todesstrafe nicht verschließen.“ Aus einer Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 2012 Liste politischer Gefangenen unter http://hyperactivist.info/ipr.html

Den Kindern der Freiheit

Den Kindern der Freiheit
gleichen Winde und Wellen,
Stürme und Sternenlicht
nicht zu fassen werden sie sein.

Ihr Kinder der Freiheit kennt Eure Träume,

andere schlafen
 für Ewigkeiten durchs Leben.

Harte Felsen macht ihr mürbe

und sie stürzen,

kalte Herzen und blinder Gehorsam

sind nicht Teil Eurer Lebensmelodie.

Wenn Ihr singt, Ihr Kinder der Freiheit
zittern die Herrscher im Turm,

wenn Eure Arme sich umfassen

endet die Zeit der Despoten.

Oh Ihr Kinder der Freiheit

ich höre uns träumen,
ich höre im Herzen unsre feurige Melodie -

und wann werden wir sie wieder
gemeinsam singen?
© Helmut N. Gabel

Azadi (Freiheit)

Âzâdi Turm in Teheran, Iran

Mahvash Sabet, Lehrerin, Bahai

12. Oktober 2012
Mahvash Sabet
Mahvash Sabet
Mahvash Sabet, geboren 1953, gehört dem siebenköpfigen Bahá’í-Führungsgremium an, das 2008 von Mitarbeitern des Geheimdiensts verhaftet wurde. Elf Monate später wurde sie wegen „Spionage, Vergehen gegen die nationale Sicherheit und Feindschaft zu Gott“ angeklagt. Ein Revolutionsgericht verurteilte sie zunächst zu 20 Jahren Haft. Die Strafe wurde 2010 auf internationalen Druck hin auf 10 Jahre reduziert. Mit mehr als 300 000 Angehörigen ist die Bahá’í-Gemeinde im Iran die größte religiöse Minderheit. Seit Gründung der Islamischen Republik im Jahre 1979 sind die Bahai wie Sunniten, Derwische und konvertierte Christen Ziel rigoroser Verfolgung.

Schneezeit

Schneezeit im Iran:
Führer mit kalten Herzen
krallen sich fest am Thron
behandeln das Volk mit Hohn.

Betrübte, Betäubte, Verarmte
verstümmelt, gehängt und verleumdet.
Sie dürsten nach freien Worten,
nach Würde und menschlichem Mass.

Brave, Blindhassende, Verrohte
beten den Götzen an,
Ihre Hände und Füße hängen
an den Lippen des bärtigen Führers.

Betende Kinder Gottes
werden aus ihren grünen Gärten gezerrt –
wiederum im Namen des Höchsten,
ihre Tränen gefrieren zu Eis.

Die rechtschaffenen Eiferer
erheben sich selbst zu Göttern und
werfen den Kindern Gottes
Lästerungen vor – wie ungeheuerlich!

Die Enttäuschten wenden sich ab vom Schöpfer
ihre Herzen erkalten in Trauer.
Sie vergessen, dass der letzte Teil der Schöpfung
von Menschen zu schaffen ist.
© Helmut N. Gabel

Schush (Susa)

Antike Haupt­stadt des elami­tischen Reichs, Iran

Ali Akbar Mohammadzadeh, Sekretär der Islamischen Studentenvereinigung der Technischen Sharif-Universität

5. Oktober 2012
Ali Akbar Mohammadzadeh war am 15. Februar 2011 auf dem Gelände seiner Universität von Sicherheitskräften zusammengeschlagen und unter Gewaltanwendung festgenommen worden. In den vergangenen zwei Jahren war er vom Büro des Informationsministeriums mehrfach vorgeladen, bedroht und verhört worden. Er wurde gemäß [Artikel] 510 und 600 des Strafgesetzbuches wegen “illegaler Versammlung” und “regimefeindlicher Propaganda” angeklagt. Daraufhin wurde er von Richter Salavati wegen “illegaler Versammlung und Verdunkelung” zu fünf Jahren und wegen “regimefeindlicher Propaganda” zu einem weiteren Jahr Haft verurteilt. Er gehört zu jenen Gefangenen, denen Urlaub gewährt wurde und dessen Strafe auf 45 Monate reduziert wurde. Weitere Informationen bei iranhr.blogspot.de

Immer wieder

Versprechen ziehen wie leere Kreise
bis unter das Dach des Damavand.
Über dem Flussbett erheben sich
Tausende von Fledermäusen, die mit
Ihrem Flügelschlag Lebensfäden schneiden
und unzählige Herzen erzittern lassen.

Die Nacht wurde beauftragt, den Sternen
zu verbieten, zusammen zu kommen, um
sich im Mondschein zu treffen. Schuldig
gewordene Sterne werden am Gewölbe
gehenkt. Unlängst wurde der Mond für
unerlaubtes Licht in Verbannung geschickt.

Was nützt es der verletzten Erde zu beben,
wenn selbst die Steine sich zum Wurf
bereiten und Tote aus ihrem Schlaf
erwachen, während schwarze Reiter auf
Schattenpferden ihre Knüppel über
dem jungen Kornfeld schwingen?

Mag mich der raue Hauch des Evin lehren,
meine Knochen zu zählen oder das Blut von
meinem Munde zu trinken, meine Stimme
wird wie eine Taube durch die Gitter gleiten,
und sich mit dem großen Schwarm vereinen,
denn unsere Flügel könnt ihr uns nicht brechen!

Sedaye Bād © صدایباد

Karawanserei Sad al-Saltaneh in Qazwin, Iran

Narges Mohammadi, Journalistin und Geschäftsführerin des Menschenrechtszentrums in Teheran

28. September 2012
Frau Mohammadi wurde am 10. Juni 2010 inhaftiert. In der Haft verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand. Am 1. Juli 2010 kam sie vorübergehend gegen Kaution frei und wurde am 3. Juli ins Krankenhaus eingeliefert. In einem Interview gab sie damals an, sie sei in Haftzeit 14-mal zusammengebrochen. Es sei eine Art Lähmung gewesen und sie habe die Kontrolle über die Bewegungen ihrer Hände und Füße verloren. Eine genaue Diagnose hätten die Ärzte noch nicht stellen können. Am 22. April 2011 tauchten im Haus der Mutter der Anwältin in Zanjan im Nordwesten des Iran ein Mann und eine Frau auf, die möglicherweise Geheimdienstmitarbeiter waren. Vor den Augen ihrer Kinder forderten sie Narges Mohammadi zum Mitkommen auf. Auch auf Aufforderung wiesen sich die beiden Personen nicht aus: eine Praxis, die bekannt ist im Zusammenhang mit Verhaftungen aus sogenannten „staatsgefährdenden Gründen“. Zwei Tage später teilte Narges Mohammadi ihren Kindern und ihrer Schwiegermutter in einem kurzen Telefongespräch mit, sie befinde sich im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses in Teheran, in der berüchtigten Abteilung 209 die unter der Kontrolle des Geheimdienstes steht. Weitere Informationen bei alischirasi

Narzisse aus Stahl (für Narges Mohammadi)

Die Narzisse wurde vom Frühling als Erste begrüßt,
die Sonne schenkte ihren Wangen Lichtfarben
und der Wind verlieh ihr Duft,
auf dass sie den Gestank der Fäule besiege.

Im Hagel stand sie ungeknickt mit leicht
geneigtem Haupt, trotzte den Stürmen
und den bitteren Worten, die wie entwertete Briefmarken
aus alten Zeitungsblättern starrten.

Selbst in hundert Jahren würde sie jenem
Drachen nie Untertan sein, der argusäugig den
Moder bewachte, so drang ihr Lied wie eine
erfrischende Brise durch Türen und Fenster und
verkündete das Erwachen der Lerche.

Aber als die Kralle mit Bosheit aus der Finsternis
hervor schnellte, ihr höhnisch das Blütenkleid
zerquetschte, drang ihr Schmerz zu den Kindern
des Windes, deren Augen sich mit Asche füllten.

Stille, doch kein Schweigen. Mit Minaretten, bis
in die Spitze der Wolken bewaffnet, wankt Iran
weinend, um die Augen des Himmels mit Tränen zu füllen.

Doch unten summt die Narzisse von Freiheit…

(*Narges = Narzisse)
Sedaye Bād © صدایباد

Goor Dokhtar (Grabmal aus der Achämeniden Zeit) - "Zaratustrisches Mädchen", Iran

Goor Dokhtar

Anvar Hossein Panahi, kurdischer Bürgerrechtler

21. September 2012
Anwar Hossein Panahi, kurdischer und politisch aktiver Bürgerrechtler wurde vom Revolutionsgericht zum Tode verurteilt. Nach Protesten von Aktivisten und internationalen Menschenrechtsorganisationen, wurde sein Todesurteil in eine 16-jährige Haft umgewandelt. Anwar Hossein Panahi wurde am 6.11.2007 von Sicherheitskräften verhaftet und verschwand danach 6 Monate in den dunklen Kammern des iranischen Geheimdienst. Anwar Hossein Panahi ist ein Bürgerrechtler und die Vertrauenspeson der Bauern der Region Dehgolan. Er setzte sich ein für drogensüchtige Gefangene in Sanandaj . Er gab Kurse für die Inhaftierten und versuchte damit zu verhindern, dass die Gefangenen Drogen verfallen. An seinen Kursen nahmen über 200 Gefangene teil. Dafür bekam er oft Besuchsverbot und durfte auch seine Familie wochenlang nicht sehen. Seit der Verlegung Anvar Hossein Panahis aus dem Zentralgefängnis Sanandaj vor mehreren Tagen gibt es keine Informationen über seine Situation. Das Geheimdienstministerium hat gegen den politischen und bürgerlichen Aktivisten einen neuen Fall eröffnet. Er wurde am vergangenen Donnerstag aus dem Zentralgefängnis Sanandaj in die Haftanstalt im Geheimdienstministerium gebracht, wo er verhört wird.

Safran

Kein Land der Welt kann sich rühmen
nur Menschen mit goldenem Herzen zu haben,
Keine Nation behaupten
Ihre Geschichte sei frei von Schuld.

Oh Iran, Heimat von Wiesen,
Heimstatt für Berge und fruchtbares Land,
breitest dein Himmelszelt über sirrende Hitze
und rastlosem Zirpen im Hain.

Safran leuchtet,
Sterne glimmen,
Mutterhände gießen Eimer voll Zuwendung
und Karawanen schleusen Schmuggelware über die Berge.

Farbiger Teppich und ausgefeilte Kanäle für Wasser
Baukunst mit ausnehmender Schönheit –
nicht haben deine Bürger mit Leistungen gespart,
Jahrtausende alte Dichtkunst hat Generationen getragen.

Ausgesetzt warst Du dem Hunger
gnadenloser Tyrannen und Mördern
brandschatzenden Heeren aus Ost und Süd,
deine Mühen wieder und wieder zerstört.

Jetzt höhlt dich der Feind an deiner Spitze
mit seinen wirren Gesängen von Hass,
mit seinen bluttriefenden Peitschen-
dein Herz will er zerreiben.

Oh Iran, deine weinenden Bürger warten
auf helfende Hände, auf Geister,
die das Ausmass des Schreckens verstehen,
sie warten
© Helmut N. Gabel

Altstadt von Yazd, Iran

Rashid Esmaili, Student

14. September 2012
Esmaili ist Mitglied des Vorstands der Studentenorganisation Tahkim-e Vahdat wurde am 8. September ohne Vorlage eines Haftbefehls festgenommen. Esmaili war laut HRANA erstmals im Dezember 2009 mitten in einer Krebstherapie verhaftet worden. Von seinem Graduiertenstudium der Menschenrechte an der Universität Allameh wurde er ausgeschlossen. In den vergangenen Monaten hat er für verschiedene Webseiten journalistisch gearbeitet. Petitio für seine Freilassung: gopetition

Hindurch

Mitten hindurch
mit ledernen Händen,
Schwielen von nassem Sand –
wundgescheuert.

Hindurch
von einem lichten Willen durchdrungen –
mit der Aussicht auf Drangsal und Not
Peitschenschlägen und Diffamierungen.

Durch
das Nadelöhr der Überwindung
sich für Würde und Freiheit der Gedanken
erniedrigen zu lassen.

Mitten hinein
in die Gassen der Bequemen,
der Stummen und Taktierer,
die Melodie des Leids singend.
© Helmut N. Gabel

Falak-ol-Aflak Burg in Lorestan